Der Achse des Guten nicht gut genug

Die Achse des Guten (www.achgut.com) veröffentlichte heute den gestern von mir kommentierten Beitrag von Matthias Döpfner in der WeLT zum Urteil des Landgerichts Frankfurt in Sachen Kuwait Airlines / Beförderung israelischer Staatsbürger. Ich sandte ihnen dazu einen Forumsbeitrag folgenden Wortlauts:

Der Beitrag überrascht in seiner Aufgeregtheit und der Heftigkeit der Urteilsschelte. Seltsam, dass sich Herr Döpfner herablässt, höchstselbst und derart stürmisch vom Beginn der Unterwerfung zu sprechen. Das ist Unsinn. Mit dem arabischen Israelboykott leben wir seit Jahrzehnten und gehen flexibel mit ihm um. Nein, Israel kommt ohne Kuwait Airlines ganz prima über die Runden und die Unterwerfung, soweit man davon sprechen kann, findet ganz woanders statt, befördert in ihren Ursachen von den Migrationsjubelpersern nicht zuletzt aus Presseerzeugnissen des Axel-Springer-Verlags, auch, wenn man da, zumal bei der WeLT, mittlerweile zurückhaltender agiert. Mir scheint dies ein sehr preiswerter Versuch, vom eigenen Beitrag zum Import von Antisemitismus abzulenken.

Zur juristischen Seite: was wäre die Konsequenz eines anderslautenden Urteils gewesen? Wie würden wir dann damit umgehen, wenn die USA amerikanischen Fluggesellschaften im Zuge von Sanktionsmaßnahmen verböten, Staatsangehörige etwa von Kuba, dem Iran oder Nordkorea zu befördern? Würden wir denen dann auch Schadenersatz nach dem AGG zubilligen wollen?

Ausführlicher unter narrenspeise.wordpress.com/2017/11/19/2-presseschaetzchen-des-tages-18-11-2017/

Man wollte ihn nicht veröffentlichen. Liegt’s am Link auf die eigene Website oder stört die inhaltliche Tendenz? Die Netiquette der Seite kann es nicht sein.

Schätzchen des Tages 19.11.2017

Herbstsonntagsnachmittage sind ideale Gelegenheiten, sich in ein Anderswo entführen zu lassen, wo das Wünschen noch hilft. Das Cellokonzert des irischen Komponisten Charles Villiers Stanford (1852 – 1924) verzichtet auf Dramatik, enthält am Ende des ersten Satzes eine beachtliche Kadenz und anschließend ein kuschelweiches Adagio.

 

Wenn einem der Sinn eher nach innerem Abenteuer steht – mehr aus der Komfortzone lockt das Streichquartett Nr. 5 in B-Dur des bemerkenswerten sowjetischen Komponisten polnisch-jüdischer Herkunft Mieczysław Weinberg (1929 – 1996, auch Moishe Vainberg), trotz wenig Drama und eher klassischer Tonsprache, doch hinter sanften Klängen lauern Abgründe. Weinberg wird hier in den nächsten Tagen noch öfter auftauchen.

 

Presseschätzchen des Tages 19.11.2017

Telepolis berichtet von dem Geständnis dreier Georgier, bei den Maidan-Protesten auf Polizisten und Zivilisten geschossen zu haben, angestiftet von einem ukrainischen Oppositionspolitiker.

Wie stehen die Wetten, dass SPIEGEL, ZEIT und FAZ etc., denen das nicht in ihre (immer noch?) naive Ukraine-Story passt, darüber genauso schweigen werden wie über die ganzen anderen Hinweise, dass die Maidan-Morde von Elementen der Opposition ausgingen? Ob diese spezielle Geschichte stimmt, kann ich natürlich nicht beurteilen, aber berichtenswert ist sie allemal.

2. Presseschätzchen des Tages 18.11.2017

Das Frankfurter Landgericht hat geurteilt, dass ein israelischer Staatsbürger, dem Kuwait Airlines die Beförderung verweigert hat, kein Anspruch auf diese Beförderung und keinen Anspruch auf gesonderte Entschädigung nach dem Antidiskriminierungsgesetz (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, AGG) hat. Kuwait erkennt Israel nicht an und Kuwait Airlines hätte sich ansonsten nach dem örtlichen Recht strafbar gemacht. Die Gesellschaft hatte dem Kläger angeboten, ihn auf eigene Kosten bei einer anderen Fluglinie unterzubringen, was er abgelehnt hat.

Es sei der Fluggesellschaft nicht zumutbar, „einen Vertrag zu erfüllen, wenn sie damit einen Gesetzesverstoß nach den Regeln ihres eigenen Staates begehe und sie deswegen damit rechnen müsse, dort bestraft zu werden“, hieß es in der Entscheidung des Frankfurter Gerichts. Das deutsche Gericht habe dabei nicht darüber zu entscheiden, ob das kuwaitische Gesetz sinnvoll sei und nach den Bestimmungen der deutschen und europäischen Rechtsordnung Bestand haben könne.

Ebenso bestünde kein Anspruch nach dem Antidiskriminierungsgesetz, da dieses die Benachteiligung aufgrund von Rasse, Herkunft oder Religion verbietet, nicht jedoch aufgrund von Staatsangehörigkeit.

Hmja, denkt man sich da, blöde Situation für einen Richter, ist ja wirklich nicht schön, die Sache, aber wie sollte er denn Kuwait Airlines zwingen, gegen Strafgesetze von Kuwait zu verstoßen, und das Antidiskriminierungsgesetz mal eben erweitert auslegen oder den Sachverhalt zurechtbiegen geht ja auch nicht so einfach. Schließlich möchte sich auch Deutschland die Option auf Boykott- bzw. Sanktionsmaßnahmen gegen andere Staaten vorbehalten, und die knüpfen dann halt u.U. an der Staatsangehörigkeit von Individuen an. Solch doofe Fälle gibt es nun mal. Interessant wäre hierzu ein seriöser Kommentar eines einschlägigen Experten; vermutlich wartet man darauf aber vergeblich.

Ziemlich befremdet hat mich vor diesem Hintergrund der mächtig donnernde und überraschend atemlose Kommentar von Matthias Döpfner, dem Vorstandsvorsitzenden der Axel Springer SE, in der WeLT, betitelt „der Beginn der Unterwerfung„. Zitat:

Der Richterspruch selbst ist Stoff für Juristen-Seminare der Zukunft, die darüber streiten können, ob es zwingend oder legitim oder missbräuchlich ist, dieses Urteil zu fällen mit der Begründung, deutsche Gesetze verböten Diskriminierung von unter anderem Religion, Geschlecht, Behinderung und Alter, nicht aber aufgrund von Staatsangehörigkeit. Ob das ein skandalöser Fehler eines überforderten oder böswilligen Richters war oder ein schwerer Lapsus in der Gesetzgebung.

Die Diskussion der Experten ist eröffnet.

Hätte er sie doch erst einmal abgewartet, statt so loszudonnern. Jurist ist er ja nicht und man hat nicht den Eindruck, er habe sich in der Frage beraten lassen. Evtl. ein „skandalöser Fehler eines überforderten oder böswilligen Richters“? Mannomann, das ist schweres Geschütz, und etwas unangemessen. Der einschlägige Paragraph aus dem AGG:

  • § 19 Zivilrechtliches Benachteiligungsverbot

(1) Eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, die

1. typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen (Massengeschäfte) oder bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen oder

2. eine privatrechtliche Versicherung zum Gegenstand haben,

ist unzulässig.

Man kann zum Gesetz ein Diskriminierungsverbot wegen der Staatsangehörigkeit nicht einfach hinzudichten. Man könnte nun versuchen, die Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit grundsätzlich mit der Diskriminierung wegen der – hier ja ausdrücklich geschützten – ethnischen Herkunft gleichzusetzen. Dem wäre aber leicht entgegenzusetzen, dass der Gesetzgeber, hätte er dieses Ergebnis gewollt, die Staatsangehörigkeit in der Norm ohne Weiteres hätte mit anführen können. Ich kenne den Hintergrund nicht, gehe aber davon aus, dass dies eben wegen des Vorbehalts eigener deutscher Sanktionsmaßnahmen nicht gewollt war. Ein „schwerer Lapsus“ ist für mich hier nicht erkennbar.

Weiter könnte man argumentieren, dass der wahre Grund für das Verhalten von Kuwait Airlines nicht die Strafandrohung durch das kuwaitische Recht war, sondern schlicht „Antisemitismus“ der hier Verantwortlichen. Dem stünde einerseits das Angebot von Kuwait Airlines entgegen, auf eigene Kosten für anderweitige Beförderung zu sorgen, und andererseits dürfte es der Gesellschaft leicht fallen, nachzuweisen, dass sie nichtisraelische Juden selbstverständlich mitnehmen und mitgenommen haben.

… Fest steht, dass die von Kuwait gemeinte Diskriminierung sich nicht gegen die Geschäftsordnung der Knesset oder die Verfassung Israels richtet, sondern gegen „die“ Juden. Gemeint und offiziell adressiert mit solchen Regelungen ist „der jüdische Staat“. Der tiefere Grund des Transportverbots ist Antisemitismus. Sonst nichts.

Hmja, juristisch dürfte für diesen Fall die Motivation des kuwaitischen Gesetzgebers im Unterschied zu Kuwait Airlines selbst nicht von Belang sein. Und ob sie, jenseits der rein rechtlichen Frage, sich allein aus Antisemitismus ableitet, wäre zu begründen. Schließlich ist Israel aus arabischer Sicht so einiges mehr vorzuwerfen, als wir unsererseits etwa gegen den Iran ins Feld führen könnten, den wir und insbesondere die USA jahrzehntelang mit diversen Sanktionen belegt haben.

Von einem „Beginn der Unterwerfung“ kann diesem Falle überhaupt keine Rede sein. Das ist vollständiger Quatsch. Die grundsätzliche Situation des (teilweisen) arabischen Israelboykotts ist nicht neu, sie eröffnet immer wieder Dilemmata und wir gehen seit Jahrzehnten recht flexibel damit um. Wer beispielsweise einen zweiten Pass wollte, musste nur glaubhaft versichern, er wolle nach Israel einreisen, später aber in ein arabisches Land, das bei israelischen Einreisestempeln Schwierigkeiten machte.

Döpfner ist juristischer Laie, allerdings ein intelligenter Mensch und ein offenbar sehr guter Manager, schließlich ist Axel Springer deutlich erfolgreicher und profitabler als der Großteil der restlichen Verlags- und Medienbranche. Er hat mich im Übrigen, als ich einmal eine Hauptversammlung im Axel Springer-Haus besuchte, mit einem außerordentlich professionellen Vortrag ziemlich beeindruckt. Zudem ist er als Vorstandsvorsitzender sicherlich ständig mit anspruchsvollen juristischen Fragen konfrontiert.

Ich frage mich daher, ob ihn hier wirklich die Empörung dazu bringt, dermaßen (und überhaupt höchstselbst) auf den Lukas zu hauen. Zwar ist die Unterstützung Israels immer noch ausdrückliches und hochrangiges Element der Unternehmensgrundsätze des Konzerns, deshalb muss man sich wegen einer solchen doch insgesamt nachrangigen Angelegenheit aber nicht so verausgaben („Ich habe den Atem angehalten. Ich wollte spüren und messen, wie lange es dauert nach dem schrecklichen Urteil von Frankfurt…“).

Mir scheint das Ganze doch eher ein taktisches Manöver. Das, nennen wir es einmal so, Establishment hat erkannt, dass man sich gegenüber den bösen Rechtspopulisten in der Frage des importierten Antisemitismus eine schwere Blöße gegeben hat, dass die Rechte immer häufiger den Antisemitismusvorwurf selbst verwendet, mit einiger Berechtigung im Übrigen, ja manche Teile von ihr das Thema Unterstützung Israels und Philosemitismus insgesamt zu kapern suchen.

Da ist doch so ein Urteil eine willkommene, kostenfreie und im Übrigen folgenlose Gelegenheit, sich in die Brust zu werfen, um der Rechten ein wenig das Wasser abzugraben oder zumindest nicht das Thema zu überlassen. Vielleicht auch meint er, damit dem anhaltenden Leserschwund bei der WeLT, die sich in letzter Zeit um enttäuschte Konservative wieder etwas mehr zu bemühen scheint, entgegenzuwirken.

Aber so leicht darf man Ihnen die Sache nicht machen, Herr Dr. Döpfner. Es sind auch Ihre Zeitungen und Zeitschriften, die seit einigen Jahren den Import von muslimischem Antisemitismus befördern, mit „wir schaffen das“ und „wir können Integration“ und „wir sind jetzt endlich einmal die Guten“. Juden müssen in der Öffentlichkeit immer vorsichtiger sein; eine Trendumkehr ist nicht zu erwarten. Man schaue nur nach Frankreich.

Die Israelis kommen ohne Kuwait Airlines prima klar. Die deutschen Juden können mit den Folgen unserer verirrten Migrationspolitik, die Sie mit verantworten, deutlich weniger gut leben.

Also lenken Sie nicht ab. 

Und die „Unterwerfung“, soweit es sie gibt, findet ganz woanders statt. 

Nachtrag 19.11.:

Nach dem Beck’schen Onlinekommentar zum AGG (nicht verlinkbar) ist unter „ethnischer Herkunft“ aus § 19 Abs. 1 S. 1 AGG  tatsächlich auch die Staatsangehörigkeit erfasst. Insofern steht das Urteil – das allerdings in dem FAZ-Artikel, auf den ich mich stützte, diesbezüglich nur knapp paraphrasiert wird, insofern ist hier Vorsicht geboten – gegen die Kommentarmeinung. Das mögen Fachleute ausdiskutieren. Ich halte die Interpretation des Landgerichts Frankfurt jedoch für mindestens vertretbar, denn das AGG sollte den Interessen der Bundesrepublik Deutschland nicht dadurch im Wege stehen, dass Sanktions- oder Boykottmaßnahmen anderer Staaten uns unlösbare Probleme bereiten.

Man stelle sich die Konsequenzen der Alternative vor: jeder israelische Staatsbürger könnte versuchen, bei Kuwait Airlines Flüge über Deutschland zu buchen, und aus der Ablehnung Schadenersatzansprüche ableiten. Damit könnte man natürlich glücklichstenfalls solchen Druck auf die Fluggesellschaft ausüben, dass der Staat Kuwait sich zu einer Änderung seiner Gesetze genötigt sieht; wahrscheinlicher aber wäre, dass Kuwait Airlines Flüge über Frankfurt einstellt, wie sie es in anderen Fällen auch bereits getan haben (siehe dazu den Artikel von Döpfner).

Schön, ohne Kuwait Airlines könnten wir leben, aber was ist, wenn die USA amerikanischen Fluggesellschaften als Sanktionsmaßnahme die Beförderung von Staatsangehörigen von Kuba, Iran oder Nordkorea verbieten? Das wäre dieselbe Situation. Könnten wir es auch dann darauf ankommen lassen?

Im Übrigen ist etwa bei Anbietern von Finanzprodukten gang und gäbe, Personen mit amerikanischer Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz in den USA vom Angebot auszuschließen. Das ist unbedingt erforderlich, um zu vermeiden, nach amerikanischem Recht verklagt zu werden; ein Risiko, dem man sich häufig einfach nicht aussetzen kann. Dieses Verhalten ist nicht nach § 20 AGG gedeckt, der regelt, wann eine grds. von § 19 AGG untersagte Ungleichbehandlung ausnahmsweise zulässig ist, denn § 20 beschränkt sich auf sachliche Gründe für die Ungleichbehandlung aufgrund von Religion, einer Behinderung, des Alters, der sexuellen Identität oder des Geschlechts, mithin also gerade nicht der Rasse oder ethnischen Herkunft.

Die Ungleichbehandlung aufgrund von Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz ist in solchen Fällen wirtschaftlich unvermeidlich und offenbar legal, jedenfalls ist mir nichts Gegenteiliges bekannt.

Dafür ist aber aufgrund des fehlenden Schutzes durch § 20 AGG nur dann Raum, wenn man das Verbot der unterschiedlichen Behandlung in § 19 AGG nach ethnischer Herkunft eben nicht bzw. zumindest nicht zwingend und in jedem Fall auch für die Staatsangehörigkeit anwendet.