Der Bullshit-Detektor schlägt Alarm

Meinem Bullshit-Detektor ist im Laufe der Zeit manches entgangen, aber wenn er anschlug, lag er immer richtig. Die Berichte vom Angriff auf den amerikanischen Schauspieler Jussie Smollett glaube ich ebensowenig wie die nächste Geschichte eines sechzehnjährigen Mädchens, jemand habe ihr ein Hakenkreuz in die Wange geritzt.

Zum Abgang des Weekly Standard

Der Weekly Standard war das Kind von William (Bill) Kristol und Fred Barnes. Bill Kristol ist eine der unsympathischsten Figuren in der amerikanischen Journo-Politszene, ein Neocon, der immer gerne noch mehr Bomben abwerfen würde, ein Trommler für den Irakkrieg. Zudem liegt er auch sonst meist einfach daneben mit dem, was er sagt.

Der Eigentümer des seit Jahren schlecht laufenden Magazins hat im Dezember die Reißleine gezogen und es geschlossen. Trotz der Neocon-Ausrichtung war nicht alles schlecht; die Beiträge von Andrew Ferguson sind klug, differenziert und sehr gut geschrieben und daher auch dann lesenswert, wenn einen das Thema nicht interessiert. Ebenso habe ich diesen Beitrag von Gary Saul Morson über die Geschichte des russischen Terrorismus zur Zarenzeit sehr lehrreich gefunden. Die Website ist noch im Netz, wer weiß, für wie lange. Vielleicht sollte man die Gelegenheit noch nutzen.

 

 

 

Die strafrechtlichen Risiken des autonomen Autofahrens

SPIEGEL Online berichtet (leider nur sehr zusammengefasst) über die Diskussion zu autonomem Fahren beim Verkehrsgerichtstag. Kernsätze: Autofahrer dürften nicht für Fahrfehler strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie das Fahrsystem nicht kontrollieren können. Stattdessen würden dann Hersteller, Konstrukteure und Programmierer ins Visier geraten.

Hadmut Danisch kommentiert die Schwierigkeiten, die sich hinsichtlich der Verantwortung von Programmierern ergeben (und nutzt die Gelegenheit, dem von ihm nicht allzu sehr geschätzten Berufsstand der Juristen den einen oder anderen mitzugeben).

Für mich stellt sich noch eine andere Frage: Welche Ansprüche darf man an Hersteller, Konstrukteure und Programmierer in strafrechtlicher Hinsicht eigentlich stellen, unabhängig von zivilrechtlichen Haftungsfragen, die ja kalkulierbar und versicherbar sind? Muss ein selbstfahrendes Auto in jeder Situation perfekt reagieren, oder wenigstens so wie ein sehr guter Autofahrer? Das wird nicht wirklich realistisch sein, denn das Verkehrsgeschehen wird immer irgendwelche Ausnahmesituationen oder besondere Konstellationen bereithalten, auf die das Steuerungssystem dann doch nicht vorbereitet ist.

Wenn unsere gut 3.000 Verkehrstote pro Jahr durch vollständig autonomes Fahren auf 1.000 reduziert würden, müssten dann dennoch 1.000 Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung eingeleitet werden (mal alles abgekürzt dargestellt)? Ist man als Hersteller/Konstrukteur/Programmierer erst aus dem Schneider, wenn kein einziger Verkehrstoter mehr auf das Konto der betreffenden Autos geht? Niemand würde dieses Risiko dann eingehen wollen, zumindest niemand, auf den die deutsche Justiz Zugriff hätte.

Man muss den Maßstab für leichte, mittlere und schwere Fahrlässigkeit mithin so kalibrieren, dass strafrechtliche Folgen für Hersteller, Konstrukteure und Programmierer bei menschlich realistischer Sorgfalt zuverlässig vermieden werden können, ohne einen entsprechenden gesunden Druck aufzugeben.

Man muss sich dabei etwas von dem Paradigma lösen, das für menschliches Verhalten im Straßenverkehr (wie auch in anderen Bereichen) gilt. Auch der vorsichtigste Fahrer kann nicht garantieren, dass er nicht doch einmal etwas falsch macht, und ob das Folgen hat oder nicht, ist Glückssache. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis einem etwas passiert. Dennoch wird das dann strafrechtlich verfolgt, weil das so sein muss. Jemand, der als Programmierer letztlich Milliarden zurückgelegte Kilometer verantwortet, kann nicht nach diesem Prinzip behandelt werden.

Die Entwicklung der entsprechenden Maßstäbe kann man allerdings nicht der Rechtsprechung überlassen, denn diese wird ja erst tätig, wenn der Fall eingetreten ist und die betreffenden Autos schon in einiger Zahl auf dem Markt sind. Außerdem schreckt die Unsicherheit ab. Zudem wird sie sich mit dem Thema sehr schwer tun. Es ist also der Gesetzgeber gefragt, am besten in internationaler Kooperation, denn dem Programmierer nützt es nichts, wenn er in Deutschland davonkommt, aber in Belgien doch wegen zwanzigfacher fahrlässiger Tötung vor Gericht endet. Das wird ein schwieriger, mit Irrtümern, Lobbyismus und sicherlich einigen Leichen gepflasterter Weg, aber es wird anders nicht gehen.

 

 

Strafrecht in den USA: Ein Elfjähriger bekommt lebenslänglich. Und ist unschuldig.

Die amerikanische Verfassung war ein Meilenstein der Weltgeschichte, aber nach heutigen Maßstäben ist sie teilweise löchrig und überholt. Die achte Ergänzung (eighth amendment) brachte bereits 1791 immerhin das Verbot von „cruel and unusual punishment“, also „grausamer und ungewöhnlicher Strafen“, aber so etwas wie die Art. 1 Grundgesetz oder den Gedanken des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes enthält sie nicht. Darum kann man auch einen Elfjährigen zu lebenslänglich verurteilen, auf Grundlage der Aussagen seiner siebenjährigen Schwester. Sieben Jahre später wird er freigesprochen.

 

 

Skripal: auffällige Zufälligkeiten

Ich habe keine Ahnung, wer den Anschlag auf die Skripals ausgeführt hat. Es mögen Russen gewesen sein, Briten, Amerikaner, Saudis, Türken, Israelis, jeweils staatliche Akteure mit Segen von oben oder auf eigene Faust handelnde Agenten, irgendwelche Kriminelle oder Parteien, die man überhaupt nicht auf dem Radar hat. Wobei ich hier Saudis, Türken und Israelis quasi der Vollständigkeit halber aufführe; meine Vermutungen gehen nicht in eine solche Richtung. Wie dem auch sei, das Verhalten der britischen Behörden scheint mir in jedem Falle höchst verdächtig. Man sagt uns nicht die Wahrheit. Siehe auch dieser frühere Beitrag.

Man muss sich dabei vor Augen halten, dass die Theorie, es handele sich um eine false-flag-Aktion, nicht mehr „Verschwörungstheorie“ ist als „Putin war’s“. Gegenüber false-flag-Theorien ist natürlich immer Vorsicht geboten, schließlich sind sie ein bequemes und immer anwendbares Mittel, Belastendes wegzudiskutieren, aber natürlich gibt es solche Aktionen. Damals, als der SPIEGEL noch ein gegenüber amtlichen Behauptungen skeptisches Medium war, hat es übrigens nicht lange gedauert, bis die Plutonium-Affäre aufflog, hinter der der BND stand. Heute können Behörden auf eine dozile Presse vertrauen, wenn sie mit ihren Aktionen im gängigen Narrativ bleiben.

Nun wird bekannt, dass die ersten Leute, die die Skripals auf der Bank fanden (und ihnen gleich erste Hilfe angedeihen ließen, sich dabei aber offenbar nicht selbst vergiftet haben), die frisch beförderte, höchstrangige Krankenschwester der britischen Armee (im Range eines Colonels, also Oberst) und ihre Tochter waren. Das kann natürlich reiner Zufall sein, aber so reiht sich in der Sache Auffälligkeit an Auffälligkeit.

Nachtrag:

  1. In diesem Bericht sieht man ein u.a. ein Bild des Hauses von Sergej Skripal. Natürlich kann man am hellichten Tag zu einem Haus am Ende einer Sackgasse wandern und sich an der Tür eines aus gutem Grund misstrauischen Menschen, der sich zu diesem Zeitpunkt mitsamt vermutlich ebenfalls misstrauischer Tochter dort aufhält und der um dergleichen Mordmöglichkeiten weiß, zu schaffen machen. Geht. Aber würde man das auch so tun?
  2. Es wäre absurd, zu glauben, „Putin“ habe Skripal einfach beseitigen wollen und dann habe man Nowitschok halt als das geeignete Mittel ausgewählt. Falls es einen Mord- oder jedenfalls Anschlagsplan von höchster russischer Seite, ob nun mit Putins Wissen oder nicht, gegeben hat, dann kann die Wahl von Nowitschok nur damit begründet werden, dass man entweder der Öffentlichkeit oder aber einer bestimmten Zielgruppe, etwa Ex-Agenten, Exiloligarchen oder wesentlichen Geheimdiensten, unmissverständlich demonstrieren wollte, dass man zu allem bereit ist, wenn man will, und sich um Konsequenzen nicht schert. Das ist immerhin denkbar und konsequent, aber ist es plausibel? Welches damit verfolgte „Kommunikations“ziel könnte die negativen Folgen rechtfertigen?Ich will diese Möglichkeit nicht gänzlich ausschließen, vor allem aus dem Grund, dass man ja nicht in die Köpfe anderer schauen kann und diese wesentliche Motive und Einstellungen haben mögen, über die man gar nichts weiß. Zuletzt machen auch höchstrangige, anzunehmenderweise kompetente Menschen gelegentlich dummes Zeug. Wäre die offizielle Darstellung des Tathergangs und weiteren Ablaufs von britischer Seite plausibel und widerspruchsfrei, könnte ich die Hypothesen „Nowitschok war eine absichtlich hinterlassene Visitenkarte“ oder „irgendwelche russischen Oberen haben sich halt blöd angestellt“ ernster nehmen.
  3. Der merkwürdig verhalten scheinende Ehrgeiz der britischen Presse, dem Fall wirklich auf den Grund zu gehen, wird vielleicht zum Teil dem Instrument der „DSMA-Notice“ geschuldet sein, mit der die britische Regierung die Presse auf vertraulichem Wege auffordert, über bestimmte Dinge nicht zu berichten. Sie kamen in der Skripal-Affäre nachweislich zum Einsatz. Offenbar sind sie rechtlich nicht verpflichtend, scheinen aber respektiert zu werden.
    Für die wenig neugierige deutsche Presse sind DSMA-Notices allerdings keine Entschuldigung.

 

 

Twitterer des Tages 19.1.2019

Man kann seine Lektüre bzw. deren Autoren nach Sympathie oder Kongruenz mit den eigenen Ansichten auswählen, nach deren Beitrag zum eigenen Wohlbefinden oder aber danach, ob man durch sie klüger wird, ob man nun zustimmt oder nicht. Sogar auf Twitter kann, wer Letzteres will, fündig werden.

Das Wunder des menschlichen Vaters

In einer Zeit allgegenwärtiger Angriffe auf das Männliche an sich, unter dem Vorwand, tatsächlich oder vermeintlich pathologisches männliches Verhalten zu kritisieren, ist ein wohlwollender und vernünftiger Blick erholsam. In dem Artikel The marvel of the human dad befasst sich die Anthropologin Anna Machin im vom Zeitgeist unverdorbenen aeon Magazin mit der Funktion menschlicher Väter und dem Umstand, dass sie sich anders als die allermeisten anderen Primaten (oder Tiere allgemein) überhaupt um ihren Nachwuchs kümmern.

Beobachtung am Rande: gleich zwei der aktuellen Artikel bei aeon sind mit Gemälden von Caspar David Friedrich bebildert. Allein das macht sie sympathisch.