Der größte Steuerskandal der bundesdeutschen Geschichte

Die cum-ex-Geschichte (insbesondere die cum-cum-ex-Seite) ist ein unglaublicher Skandal riesenhaften Ausmaßes. Kriminelle Fahrlässigkeit bzw. Leichtfertigkeit, wenn nicht mehr, auf Seiten der verantwortlichen Behörden. (Ich erlaube mir die steile Aussage, die Sache ist offenkundig und ich bin dazu durchaus vom Fach.) Wäre Deutschland eine AG und das Bundeskabinett der Vorstand, könnte man einige Finanzminister wegen Untreue drankriegen und alle von spätestens den Neunzigern bis vor einigen Jahren würden persönlich für viele viele Milliarden haften. Nun wird mangels ausreichender Ressourcen anscheinend auch noch die strafrechtliche Aufarbeitung verbockt. Wieder kriminelle Fahrlässigkeit, wenn nicht mehr? Es ist zum Kotzen.

Der Mueller-Report und weitere wichtige Entwicklungen in den USA

Mehrfach habe ich die ganze Russiagate-Geschichte als lächerlichen Haufen Bullshit gerügt. Nun ist der Report übergeben, und an der Geschichte ist offenbar nichts dran. Zumindest konnte Mueller keine „collusion“ feststellen; eine solche wäre, wenn man es geschickt anstellt und solche Ermittlungen schon im Blick hat, zwar nicht unbedingt leicht nachzuweisen, angesichts der wirklich umfassenden Machtfülle eines solchen Sonderermittlers würde aber niemand, der mit derlei Ermittlungen rechnet, ein solches Risiko auch eingehen wollen.

Das war die ganze Zeit zu erwarten und die „indictments“, die der Sonderermittler bisher produziert hat, sind einfach Beifang – irgendwelche Leute haben irgend etwas falsch gemacht, oder falsch ausgesagt, weil sie anderes zu verbergen hatten, was in den USA härtere Folgen hat als bei uns (falls es jemand verfolgt). Ältere werden sich vielleicht erinnern – bei dem Sonderermittler für die Clinton-Lewinsky-Geschichte war das damals diesbezüglich ganz ähnlich gewesen (nur dass die Ermittlungen über die Lewinsky-Affäre hinaus noch etwas substantiellere Ergebnisse erzielten).

Die amerikanische wie die deutsche Presse haben sich mit ihrer atemlosen, skandalheischenden Berichterstattung mal wieder zum Deppen gemacht, dabei allerdings echten Schaden angerichtet, da sie mitgeholfen haben, einen vernünftigen Ausgleich mit Russland zu erschweren. Dazu wird im Kopf der meisten trotz des Mueller-Berichts Trump weiter als Putins Pudel weiterleben. Dabei ist er Netanyahus Pudel.

Der streibare, jeglicher Sympathien für Trump unverdächtige Matt Taibbi gibt’s der amerikanischen Presse so richtig und ausführlich.

Ein weiteres, höchst bemerkenswertes Ereignis in den USA war, dass wichtige Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur auf Seiten der Demokraten nicht an der diesjährigen Konferenz von AIPAC (American Israel Public Affairs Committee) teilnehmen werden. Eine Teilnahme ist für Demokraten mittlerweile problematisch. Noch vor wenigen Jahren konnte sich AIPAC damit brüsten, bei Bedarf in einer Stunde die Unterschriften von 70 Senatoren auf einer Serviette einholen zu können.

Nachtrag: Der schon einige Male erwähnte Glenn Greenwald ist ebensowenig ein Trump-Freund wie Taibbi, schleudert auf Twitter aber ebenfalls Feuer und Schwefel in Richtung der US-Medien, die die Russiagate-Geschichte propagiert haben. (Viele Tweets, daher kein einzelner Link).

(Anmerkung; Ich kann derzeit keine Links zu Wikipedia setzen, da ich in der Türkei bin, wo Wikipedia in allen Sprachversionen gesperrt ist.)

 

 

 

 

Zum Überfall auf die nordkoreanische Botschaft

Nach moonofalabama.org ist der CIA-Hintergrund des Überfalls auf die nordkoreanische Botschaft letztlich nicht zu leugnen. Dahinter stecke wohl John Bolton, der die Gespräche Trumps mit Kim sabotieren wolle. Auch für mich ist das Dementi bzw. der Ablenkungsversuch der CIA völlig unglaubwürdig.

Diese Aktion ist die größte diplomatische Unverschämtheit, an die ich mich erinnern kann. Trump ist entweder zu schwach, um sich gegen Bolton und seinesgleichen durchzusetzen, oder er hat das Vorgehen gebilligt. In beiden Fällen scheidet er als ernstzunehmender Verhandlungspartner nicht nur für Nordkorea aus. Wie soll man mit jemandem reden, der keine Hemmungen hat, den fast größtmöglichen Affront zu begehen, während Verhandlungen laufen?

Die verhaltene Berichterstattung hierzu in den deutschen Leitmedien ist bemerkenswert. Das Thema ist viel bedeutsamer als viele Albernheiten, die gegen Trump in Stellung gebracht werden, und hier könnte man doch einmal berechtigterweise aus allen Rohren schießen.

Als Trump die Gespräche mit Kim unterbrach, war meine stille Vermutung, es ginge dabei gar nicht um Nordkorea, sondern in erster Linie um die ungleich wichtigeren Handelsgespräche mit China; es sollte damit gegenüber den Chinesen signalisiert werden, dass man kein Abkommen um jeden Preis will und bereit ist, einfach vom Verhandlungstisch aufzustehen, wenn man keine Fortschritte im eigenen Sinne sieht. Aber vermutlich ist das zu taktisch gedacht; vermutlich sind einfach die unverbesserlichen, rücksichtslosen Hardliner wie Bolton am Ruder.

Die Trumpsche Außenpolitik ist mir immer noch nicht wirklich verständlich. Vor der Wahl hat sich Trump in der Substanz im Wesentlichen vernünftig geäußert, hatte sinnvoll definierte amerikanische Interessen im Auge und strebte Gespräche und eben deals an. Dass er ein Großmaul ist und Sprüche kloppt, muss dem nicht entgegenstehen. In Syrien hat er sich bei aller Show für die Öffentlichkeit letztlich auch zurückgehalten. Gegenüber Iran, Venezuela bzw. Maduro, teilweise auch Russland ist dagegen destruktives Hardlinertum am Werk, wogegen Israel – soweit erkennbar – so bedingungslos unterstützt wird wie von keinem anderen Präsidenten zuvor, nicht einmal G.W. Bush. Trump lässt Leuten wie Bolton viel Raum, die viel zu eigenwillig, ja fanatisch sind, um einfach taktisch als Bad Cop eingesetzt werden zu können. Ich habe noch nicht verstanden, ob er selbst wirklich so denkt, ob er einfach zu schwach ist oder inwieweit das wiederum teilweise innenpolitische Taktik ist, um die Neocons auf seine Seite zu ziehen.

 

 

 

Brexit-Schätzchen des Tages 14.3.2019

Nach dem Brexit-Votum 2016 hatte ich prognostiziert, der Brexit würde nicht kommen, da zu viele Interessen berührt seien. Ich dachte damals, der Verwaltungsapparat in den Ministerien würde es verhindern, so wie Sir Humphrey Initiativen von Minister oder Premierminister Hacker austanzt. Wer nicht weiß, was damit gemeint ist: Anfang der Achtziger gab es in Großbritannien zwei satirische Fernsehserien, erst Yes Minister und dann Yes Prime Minister, die die Kämpfe des (fiktiven) Ministers und späteren Premierministers John Hacker mit der Ministerialbürokratie, personifiziert durch seinen Staatssekretär Sir Humphrey Appleby, beschrieb. Die Serie war exzellent geschrieben und gespielt; die später dazu erschienenen Bücher lesen sich ebenfalls sehr gut. Die Autoren scheinen ausgezeichnete Verbindungen in das Milieu gehabt zu haben. Margret Thatcher hat die Sendungen angeblich mit Spannung verfolgt. Eine der schönsten Folgen:

Bis jetzt haben sich die Dinge in Großbritannien nicht ganz so entwickelt, wie von mir erwartet. Allerdings denke ich, wenn es zu einer Verlängerung bis Ende 2020 kommt oder dergleichen, wird der Brexit letztlich nicht stattfinden. Immer mehr Wähler werden den Brexit ablehnen und das Votum von 2016 wird an Bedeutung und Legitimität verlieren, je länger es zurückliegt.

Ich hoffe, die Brexit-Saga wird einmal von ähnlich talentierten Schreibern wie Anthony Jay und Jonathan Lynn, aufgearbeitet.

 

Sie merken es nicht, sie halten es für normal

Sieges-Propaganda in Russland

Der Beutezug

Ein Zug mit Panzern, Granatwerfern und Drohnen rollt durch Russland, erbeutet von „Terroristen“ in Syrien. So feiert der Kreml seinen angeblichen Sieg – der Präsident braucht eine bessere Stimmung im Land.

… schreibt eine Christina Hebel auf SPON, wobei ihr nicht auffällt, dass ihr eigener Artikel von Anfang bis Ende im Propagandamodus geschrieben ist. Man muss doch wirklich einfach dumm sein, um vor diesen Leuten irgendeinen Respekt zu haben.

Schätzchen des Tages 10.3.2019

Mark Hollis, der Mitgründer von Talk Talk, ist vor zwei Wochen verstorben. Von dem bemerkenswerten Album The Spirit of Eden ist auf Youtube offenbar nur die erste Seite verfügbar.

Aus Wikipedia (Artikel zu Talk Talk):

1988 entstand das künstlerisch avantgardistische Werk Spirit of Eden, bei dem u. a. Jazz-Größen, wie Henry Lowther, der Violinenvirtuose Nigel Kennedy und Instrument-Erfinder Hugh Davies, mitwirkten. Dieses anspruchsvolle Projekt begeisterte Kritiker und viele Musiker, konnte aber kommerziell bei weitem nicht an die früheren Erfolge anknüpfen, so dass die Plattenfirma die Band fallen ließ. 

Lehrreich, was die Unterschiedlichkeit der damaligen Beurteilungen von Kritikern angeht, sind die Zitate im Wikipedia-Artikel zum Album. Für mich ist es jedenfalls ein Meisterwerk.

Bemerkenswertes geschieht in den USA

Im Anschluss an diesen Beitrag: Trump vergrault seine wichtigsten Unterstützer. Bzw. hat sie schon vergrault. Dieser Tweet wird ihn viel Unterstützung kosten:

Die rechten Mem-Macher aus dem pol-Forum von reddit hatten ihm im letzten Wahlkampf entscheidende Unterstützung geliefert, z.B. mit Pepe dem Frosch. Nun wenden sie sich ab wegen seiner unbedingten Unterstützung Israels und seiner nach ihrer Ansicht mangelnden Entschlossenheit in der Einwanderungsfrage. Ich halte das für eine sehr bedeutende Entwicklung, auch, wenn die Presse das nicht mitbekommt:

Ich denke, Trump schielt nach dem Mainstream und hofft auf mehr Beistand der amerikanischen Juden. Vom Mainstream hat er m.E. nicht viel zu erwarten, mit Teilen der jüdischen Öffentlichkeit aber könnte es klappen. Die mit ihren Äußerungen zu Israel und der Israel-Lobby in den USA prominent gewordene neue Abgeordnete Ilhan Omar hat wieder gezeigt, dass die Parteiführung wenig Macht über sie hat:

“We can’t be only upset with Trump,” the freshman firebrand told Politico Magazine.

“His policies are bad, but many of the people who came before him also had really bad policies. They just were more polished than he was,” Omar said.

“And that’s not what we should be looking for anymore. We don’t want anybody to get away with murder because they are polished. We want to recognize the actual policies that are behind the pretty face and the smile.”

Natürlich hat sie damit genau Recht. Obama ist ein Massenmörder, ebenso, wie Trump es ist, nur kümmert bisher das ja nur wenige, rechts wie links. Omar tritt letztendlich auf wie das Kind beim Kaiser ohne Kleider und spricht teilweise Wahrheiten aus, die offenkundig sein sollten. Die Frage ist, wie die Menge darauf reagieren wird, vermutlich nicht so einsichtig wie im Märchen. Allerdings hat die Israel-Lobby vor nichts mehr Angst als vor solchen Figuren, eben weil sie schwer zu beeinflussen sind. Wenn die Demokraten da keinen Deckel draufbekommen, werden die Israel-Lobby auf die Republikaner umschwenken und manche Juden einwanderungskritischer werden, denn das Phänomen ist eine Folge muslimischer Einwanderung. Die Lobby heißt noch lange nicht die Mehrheit der amerikanischen Juden, da auch diese immer israelkritischer werden, aber sie ist eben ein besonders entschlossenes und einflussreiches Element.

Politico widmet sich Ilhan Omar ausführlich.

The Democrats’ Dilemma

What Ilhan Omar and Dean Phillips tell us about the future of the Democratic Party.

Lesenswert.

Nachbemerkung: Warum benimmt sich Trump so ungeschickt gegenüber Leuten wie Ann Coulter? Weil er eben ist, wie er ist. Nichts mit 4D-Schach und dergleichen.